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„Wie lässt sich ein Start Up im Bereich Mode mit dem Anspruch der sozialen Verantwortung verknüpfen?“

By 12. November 2019Oktober 15th, 2020No Comments

1. Welche Anforderungen sollte ein Label erfüllen um sich selbst als Sozial und Fair bezeichnen zu dürfen?

Es gibt viele Faktoren, die meiner Meinung nach wichtig sind. Es gibt kein Label, das „perfekt“ ist, es wird immer irgendwo Dinge geben, die verbessert werden dürfen.
Für mich ist die Gemeinschaft, Menschlichkeit, Kommunikation im Team aber auch mit den Lieferanten wichtig. Gemeinsam Lösungen finden. Geduld und Verständnis.
Bewusstsein fasst das alles zusammen. Genau so wie man ein „guter“ Mensch sein möchte, kann man das auch auf ein Label übertragen. Das tun, was man kann, in Liebe

2. Welche Schwierigkeiten ergeben sich im Fertigungsprozess, in der Kollektionsumsetzung und im Vertrieb, wenn alles sozial und nachhaltig ablaufen soll?

Geduld und Flexibilität. Das haben wir ganz klar gelernt. Mit unseren Produzenten haben wir schon einige Schwierigkeiten gehabt, aber sie gemeinsam, irgendwie gemeistert.
Kollektionen kommen zu spät durch Festivals, Krankheit, Umwelteinflüsse, Persönliches. Wir reagieren immer mit Verständnis und versuchen durch Kommunikation eine Lösung zu finden.
Oft gibt es dann auch nicht die Stoffe, die wir uns wünschen oder finden nicht die Richtigen.
Leider ist auch das Färben noch nicht so nachhaltig, wie wir es uns gewünscht haben.
Es ist schwierig, sich mit den kleinen Familien über Nachhaltigkeit zu unterhalten, wenn Sie gerade froh darüber sind, ihre Familie ernähren zu können.
Unsere Produzenten sind bisher nur diese kleine Familien, die sich kein Siegel, geschweige denn die Prozesse dahinter, leisten können. Daher suchen wir für eine zukünftige Organic-Basic-Linie noch geeignete Partner mit Siegel – das sind dann allerdings keine kleinen Betriebe mehr, sondern große Unternehmen.
Es ist also schwieg zu sagen, was „besser“ ist. Für uns ist es eine gesunde Balance aus Beidem:
Sowohl das Unterstützen der kleinen Familienbetriebe, als auch der zertifizierten Großen.

3. Welche Arbeitsbereiche eines fair und sozial arbeitenden Labels ergeben einen Mehraufwand im Vergleich zu Labels die konventionell arbeiten?

Ich denke dass die Arbeitsbereiche sehr ähnlich sind, nur der Fokus unterschiedlich liegt. Die einen nehmen sich mehr Zeit, um zu gucken wo man sparen kann oder noch mehr Profit rausschlägt. Die Anderen (Wir) gehen hin und schauen, wo man nachhaltig etwas tun kann, nehmen sich Zeit für Kommunikation, Teambuilding etc.

4. Wie kann man garantieren, dass die Fertigung und die Herstellung der verwendeten Materialien fair abläuft? Gibt es Kontrollen?

Wir haben keine Kontrollen. Wie oben bereits erwähnt arbeiten wir bislang nur mit Familien ohne Fair Trade Siegel.
Sie kaufen die Stoffe bei Familien ein, die wiederum ihre Materialien bei anderen Familien kaufen. Es ist eine lange Produktionskette und wir können leider nicht jeden Schritt verfolgen. Zukünftig werden wir uns eben an große Unternehmen wenden müssen. Denn der Wunsch nach Transparenz und Wissen um unsere Wertschöpfungskette ist da.

Unsere Werte sind, dass wir bei unseren Produzenten darauf achten, nicht einfach nur Standards vorzugeben, ohne alle Hintergründe zu kennen.
Wir verhandeln nicht über die Preise, die Produzenten nennen uns den Preis, den sie brauchen. Auch gibt es keine richtigen Deadlines: Wenn mal etwas zu spät geliefert wird, dann ist das halt so. Zum Glück haben wir wunderbare, geduldige Kunden die das verstehen! Druck bringt nichts und so handeln wir alle im Sinne des „slow fashion“.

5. Habt ihr einen finanziellen Mehraufwand als Labels die nicht fair arbeiten.

Auf jeden Fall! Die 10% Spende unseres Gewinns, der ganze Prozess der Kollektionsumsetzung + Produktion. Dann die Bezahlung der Mitarbeiter hier ist auch sehr fair.
Ab nächstem Jahr wollen wir bei allen Cargoflügen aus den Produktionsländern die Emissionen ausgleichen.
Auch beim Versand unserer Pakete an die Kunden nutzen wir bei DHL den Service „klimaneutral“.
Unser Strom etc. läuft über erneuerbare Energien, wäre ein Traum, wenn das bei den Produzenten auch irgendwann umsetzbar wäre!

6. Wie empfindet ihr die Resonanz der Menschen auf euren fairen Anspruch?

Sehr sehr positiv. Wir haben so liebe und verständnisvolle Kunden. Es macht einfach Spaß in allen Bereichen mit tollen Menschen zusammenzuarbeiten.
Unsere Energie kommt auf jeden Fall an. Und das ist wundervoll!
Allerdings auch je „größer“ wir werden, desto mehr Nachfrage nach Zertifikaten, Bedingungen etc. gibt es. Es ist toll, dass sich immer mehr Menschen für die Umwelt und das Bewusstsein einsetzen und nachfragen.

7. Denkt Ihr dass Ihr schon etwas erreicht habt indem ihr anders (fair und nachhaltig) arbeitet als andere?

JA! JA! JA! Es geht uns auch darum zu Inspirieren, einen gewissen Lifestyle zu vermitteln und eine Gemeinschaft zu pflegen – für die Zukunft aller!
Auch wenn wir noch viele Bereiche verbessern möchten, haben wir schon viele Menschen mit unserem Handeln erreichen können, sowohl hier in unseren Kreisen als auch vor Ort in z.B. Nepal. Zudem haben wir schon über 20.000€ an verschiedene Hilfsprojekte gespendet. Unsere Hilfe und unser Tun kommt an.
Auch persönlich machen wir hier alle als Team eine großartige Entwicklung durch und jeder trägt sein Licht weiter.
Ich als Gründerin kann sagen, dass der Shop und alles, was damit in Verbindung steht, eine unfassbare Möglichkeit bietet, Menschen zu erreichen.
Auch mit unserem Magazin, Beiträgen zur Umwelt und Anregungen zu einem bewussteren Lebensweg.
Ich würde mir wünschen, dass unsere Positivität und Miteinander als Motivation für andere Unternehmen dienen könnte, dass Arbeit eben nicht doof sein muss!

8. Wen würdet Ihr als eure Zielgruppe definieren?

Soweit ich es einschätzen kann, sind es Menschen, die sich für unsere Zukunft einsetzen, die sich bewusst mit ihrem Konsum auseinandersetzen.
Die Helfen möchten und gleichzeitig nicht auf schöne Dinge verzichten wollen.
Sie möchten ihre Werte teilen und identifizieren sich mit der Marke, sind Modebewusst, Alternativ, Basic, Interessiert, Achtsam, Tolerant und erfreuen sich an bunten, besonderen Stücken die Ihre Persönlichkeit unterstreichen. Wir haben auch nicht nur bunte „hippie“ Kleidung, sondern bieten auch schöne, Naturstoffe und gedecktere Farben, was auch andere Zielgruppen anspricht. Ich denke dass jeder etwas bei uns finden würde: Ob ein handgemachtes Kissen aus Marokko, ein fair trade Silberring oder einen kuscheligen Schal.
Zukünftig wäre es schön, auch noch mehr Menschen mit z.B. einer Basic-Organic-Linie oder nachhaltigen Jeans einzubinden.

9. Was habt Ihr euch bei der Gründung eures Labels einfacher vorgestellt? Was schwerer?

Ehrlich gesagt habe ich nicht viel drüber nachgedacht, sondern einfach gemacht. Das Ganze war auch eher als ein kleines Hilfsprojekt angedacht, nicht als die Gründung eines „großes“ Labels. Damals (2015) hatte meinen Kopf viel in schönen, auch anstrengenden aber sehr erfüllenden Aufgaben verstrickt.
Die Motivation überwog. Dass sich alles so groß entwickelt und auch neue Herausforderungen wachsen werden, war mir da noch garnicht klar.
Nach und nach kamen dann natürlich Dinge hinzu: Steuern, Versicherungen, unglaublich viel Bürokratie, hier was da was.
Und schnell sind meine Tage gefüllt mit Aufgaben, die mehr Energie ziehen als geben. Aber das gehört eben auch dazu und ich bin dankbar, dass trotz allem dieser Traum Wirklichkeit werden durfte.

Fragen von Jirina Greyn, HS Niederrhein

Antworten von Mia Sophie Forsch, Gründerin MADEKIND